Geologie

Ein geologischer Überblick

Zusammen mit der Nachbarinsel Korsika bildete Sardinien ursprünglich einen Zipfel des europäischen Urkontinentes. Diese Landmasse wurde erst im Tertiär allmählich ins Mittelmeer verschoben. Anders als das erdgeschichtlich jungen italienischen Festland begann die Entstehung Sardiniens und Korsikas bereits vor über einer halben Milliarde Jahren - ein selbst in geologischen Dimensionen beachtlicher Zeitraum! Beim Wandern auf der Insel können wir daher eine kleine Reise durch die Erdgeschichte unternehmen.

Fast dreiviertel der Oberfläche Sardiniens bestehen aus Gesteinen des Erdaltertums (Paläozoikums). Vor allem im Karbon konnte glutflüssige Gesteinsschmelze in die Erdkruste eindringen, wo das erstarrende Magma einen mächtigen, vorwiegend aus Graniten aufgebauten Tiefengesteinskörper entstehen ließ. Dieser sogenannte sardisch-korsische Batholith bildet heute das Fundament der beiden Inseln. Alle älteren Gesteinsschichten wurden dabei unter Druck und Hitze gefaltet, teilweise in kristalline Schiefer umgewandelt und über den Meeresspiegel angehoben. Überall dort, wo diese Gesteinsschichten in späteren Erdzeitaltern abgetragen wurden, treten die einst unter ihnen verborgenen Granite heute weitflächig zutage. Granitlandschaften sind vor allem in Ostsardinien verbreitet, so in der Gallura (Foto unten rechts).

Im Erdmittelalter (Mesozoikum) stellte sich auf Sardinien eine Zeit relativer Ruhe ein. Infolge sanfter Senkungen und Hebungen der Landmasse überflutete das Meer wiederholt große Gebiete. Während einer über Jahrmillionen andauernden Meeresbedeckung lagerten sich auf der untergegangenen Landoberfläche viele hundert Meter mächtige Flachwassersedimente aus Kalken und Dolomiten ab. Diese vorwiegend der Jura- und Kreidezeit entstammenden Gesteinsschichten wurden nach dem Rückzug des Meeres im Tertiär weitgehend abgetragen. Heute sind nur noch kleine Restvorkommen aufzufinden, etwa am Golf von Orosei (Supramonte) und in der Nurra (Foto unten links). In diesen mesozoischen Kalkstein- und Dolomitgebirgen liegen die meisten der berühmten Tropfsteinhöhlen Sardiniens.

Sardinien Punta del Giglio
Sardinien Valle della Luna

Links: Punta del Giglio; oben: Valle della Luna, Capo Testa

In der ausgehenden Kreidezeit setzte eine weltweite Kontinentalverschiebung ein, die im Tertiär ihren Höhepunkt erreichte. Im Kollisionsbereich der Kontinentalplatten wurden große Gebirgsketten wie die Alpen aufgefaltet. Andernorts führte die Plattentektonik auch zu Zerrungen und schließlich einem Auseinanderreißen von Kontinenten. Europa und Afrika wurden von Amerika getrennt, und der Atlantische Ozean begann sich auszubilden. Die sardisch-korsische Landmasse wurde von der europäischen Platte abgetrennt und aus der ursprünglichen Position im Golfe du Lion in ihre heutige Lage verschoben.

Sardinien wurde dabei kräftig gezerrt und gedehnt. Die Erdkruste zerbrach in einzelne Schollen, die später angehoben wurden oder abgesunken sind. Quer durch die Insel, vom Golf von Cagliari im Süden bis zum Golf von Asinara im Norden, begann ein gewaltiger Graben einzubrechen. Außerdem kam es zu heftigem Vulkanismus, da Magma entlang zahlreicher Spalten und Risse in der Erdkruste bis zur Erdoberfläche aufsteigen konnte. Ungeheure Mengen saurer und daher dünnflüssiger Laven, vor allem Trachyt und trachytische Tuffe, ergossen sich über die Westhälfte Sardiniens. Diese bis 1000 m mächtigen Gesteinsdecken treten heute weitflächig verbreitet zutage und bilden ausgedehnte Hochebenen. In einer zweiten, weitaus schwächeren vulkanischen Phase, überfluteten basaltische Laven den mittleren Teil Westsardiniens. Als geringmächtige Deckenbasalte überkleiden sie hier viele Hochebenen, so den Altopiano di Abbasanta und den Altopiano della Campeda. In der Marmilla und im Hinterland des Golfs von Orosei sehen wir die pliozänen Vulkanite heute als kleine Basalttafelberge.