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Kabeln statt mailen ... das goldene Zeitalter der Telegrafenära

Im 19. Jahrhundert – einer Zeit, als es noch keine Funktechnik gab – begann der Telegrafenverkehr die Nachrichtenübermittlung zu revolutionieren. Es kam einer Sensation gleich, als es mit einem Mal möglich war, Nachrichten ohne Zeitverzögerung über große Entfernungen zu übertragen. Rasch setzte sich beim “Kabeln” das von dem amerikanischen Kunstprofessor Samuel Morse 1844 entwickelte und nach ihm benannte Alphabet als Kommunikationsstandard durch. Während schon Mitte des 19. Jh. Überlandverbindungen – auch über weite Strecken – existierten, stellte die Überwindung der Ozeane von Kontinent zu Kontinent eine enorme technische Herausforderung dar. Unterseeische Telegrafenkabel waren für den Nachrichtenaustausch von großer Bedeutung, war doch das schnellste Dampfschiff von Europa nach Amerika um 1850 ganze 10 Tage unterwegs.

Kurz nachdem es Werner Siemens 1846 gelungen war, das Naturprodukt Guttapercha (Gummibaumsaft) zur Isolation von Kupferdrähten zu verwenden, konnten brauchbare Seekabel hergestellt werden. Ihre Herstellungskosten waren immens. So belief sich allein der Wert des Isolationsmittels beim zweiten Kabel der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft (DAT) bei einer Gesamtlänge von etwa 8000 km auf rund die Hälfte des Gesamtwerts von 20 Millionen Goldmark – eine gewaltige Summe für die damalige Zeit. Zum Verlegen der Seekabel dienten eigens dafür gebaute Kabeldampfer, die das viele tausend Kilometer lange und mehrere tausend Tonnen schwere Kabel tragen konnten. Der eigentlichen Verlegung ging eine Lotungsexpedition voraus, um die Meerestiefen der zu verlegenden Strecke festzustellen und eventuell ungeeignete Meeresregionen zu umgehen. Während der Verlegung stand das Kabel unter ständiger Kontrolle; Isolation und Leitung wurden dauernd gemessen. Der auslegende Kabeldampfer war dabei ununterbrochen mit dem Land in Verbindung. Dadurch konnten eventuelle Fehler des Kabels sofort festgestellt und behoben werden. Falls ein solcher Fehler nicht gleich entdeckt wurde, war eine spätere Reparatur mit hohen Kosten verbunden.

Das allmählich entstehende weltweite Seekabelnetz – gewissermaßen das World Wide Web der Kolonialzeit wurde im Wesentlichen unter der Ägide Großbritanniens geschaffen, das schon frühzeitig damit begann, sein großes Kolonialreich durch Telegrafenkabel zu verbinden. An zweiter Stelle folgte Nordamerika, dann Frankreich und Deutschland. Bereits 1902 hatte der weltweite Nachrichtenaustausch über das gesamte Kabelnetz das gewaltige Volumen von über 400 Millionen Telegrammen im Jahr erreicht. Die meisten Seekabel wurden von privaten Kabelgesellschaften mit staatlicher Konzession verlegt und betrieben. Das Deutsche Reich besaß 1907 rund 25.000 km unterseeische Privatkabel, aber nur 5700 km Staatskabel. Für die Verlegung eines Seekabels mussten die Privatgesellschaften gewaltige Investitionen leisten, für die sie aber subventioniert wurden. So erhielt die 1889 auf Initiative von Generalpostmeister Heinrich von Stephan gegründete Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft (DAT), die die beiden von Deutschland nach Amerika führenden Kabel betrieb, jährlich eine feste Vergütung (mit gewissen Einschränkungen) von 1.710.000 Goldmark aus der Staatskasse.

Während direkte transatlantische Kabel von Irland (Valentia) über eine Entfernung von 3400 km nach Neufundland liefen und auch die erste telegrafische Verbindung zwischen Alter und Neuer Welt 1858 auf diesem Wege zustande gekommen war, führten andere Kabel über die Azoren, wo sich Faial aufgrund der Lage als besonders geeignete Insel erwies. Mit der Verlegung des ersten Seekabels von Carcavelos bei Lissabon nach Horta, das zunächst hauptsächlich der Übermittlung meteorologischer Daten für die Wettervorhersage diente, begann sich die Stadt ab dem 22. August 1893 allmählich zu einem Knotenpunkt der transatlantischen Kommunikation zu entwickeln. Die DAT stellte am 1. September 1900 eine erste Verbindung von Emden über Horta nach New York in den Dienst. Die starke Zunahme des Nachrichtenverkehrs machte schon 1904 ein zweites Kabel erforderlich. Die Telegrafisten in Horta hatten alle Hände voll zu tun, die eingehenden Telegramme umgehend weiterzukabeln. 1928, auf dem Höhepunkt des Telegrafennetzes, liefen in Horta 15 Drähte aus Europa und Nordamerika sowie (über die Kapverden) aus Afrika und Südamerika zusammen. Dank der internationalen Telegrafen- und Telefongesellschaften, die sich in Horta niederließen, erlebte die Stadt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung, denn die technischen Anlagen mussten von Fachpersonal gewartet werden.

Azoren Horta DAT

Die Häuser der damals in Horta ansässigen ausländischen Telegrafengesellschaften, die so genannten Kabelkolonien, entstanden hauptsächlich entlang der Rua Consul Dabney. Hierzu gehören die schmucken Gebäude der DAT und der Komplex der amerikanischen Western Union Telegraph Company (WU). Die vielen Ausländer – Engländer, Amerikaner, Deutsche und Franzosen – verliehen der Stadt ein internationales Flair, ließen jedoch schon damals die Preise in die Höhe treiben. Mit der Entwicklung der Funktechnik und der Verlegung moderner Seekabel endet für Horta die goldene Kabelära; 1969 verabschiedete sich die letzte Kabelgesellschaft.

Die fünf schmucken Gebäude der DAT in Horta vom Anfang des 20. Jh. sind ein seltenes Beispiel für deutsche Kolonialarchitektur des wilheminischen Kaiserreichs. In dem Haus mit Portikus und Uhrtürmchen, der so genannten Casa do Relógio (Foto links), befindet sich an der Seite eine verglaste Veranda. Die Buntglasfenster (Fotos oben) zeigen den Reichsadler (“Mit Gott für Kaiser und Reich”) und die Wappen der damaligen deutschen Länder. In dem etwas erhöht stehenden Haus an der Rua Marcelino Lima, abgesetzt von den anderen Häusern, residierte einstmals der Superintendent (Direktor) der DAT. Nach dem erzwungenen Abzug der Deutschen 1943 wurden die Gebäude vorübergehend an Einheimische vermietet. Heute beherbergt die Casa do Relógio eine Behörde.

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